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Geschichte
ALLGEMEINE STUDENTENGESCHICHTE
(Ein Blick zurück in die Anfänge des Studentenlebens)
Die Eigenart studentischen Lebens mag für viele Außenstehende heute besonders schwer zu begreifen sein. Damit aber das Farbstudententurm volksnah und in seinen Eigentümlichkeiten verständlich bleibt, sollte zumindest der Student heute seine Geschichte kennen. Das studentische Gesellschaftsleben hat sich im europäischen Raum der völkischen Art und dem religiösen - politischen Zustand entsprechend verschieden entwickelt. Kampf gegen Tyrannei und Unterdrückung, idealistischer Glaube, Streben nach Wissenschaft und Patriotismus haben das Bild des österreichischen Studenten geprägt.
| ENTSTEHUNG DER UNIVERSITÄTEN
Obwohl vom Farbenstudententum in seiner eigentlichen Form erst im 19. Jahrhundert gesprochen werden kann, gehen seine Wurzeln bis weit in das Mittelalter zurück. Das Korporationswesen ist eng mit dem Begriff der Universität verknüpft. Die Universitäten als Zentren des geistigen Abendlandes entstanden dadurch, dass Gelehrte von Ruf in Klosterschulen unterrichteten und so Wissensdurstige aus allen Ländern zusammenströmten. Die Wissenschaft jener Zeit stand noch in enger Verbindung mit der ursprünglichen Einheit des christlichen Glaubens.
| DIE NATIONES
An den mittelalterlichen Universitäten hatten sich die Studenten im Sinne der ihnen vom Landesherren verbrieften Freiheiten eigene Schutzgilden geschaffen – die Nationes (Nationen). Obwohl man die Nationes nicht mit den späteren studentischen Verbindungen vergleichen kann, gelten sie doch als die ersten studentischen Zusammenschlüsse. Die Gliederung erfolgte nach der sprachlich - völkischen Herkunft der Studenten. Diese Herkunft darf allerdings nicht mit einer Landeszugehörigkeit verwechselt werden. Entscheidend war die Sprache die der Student als Muttersprache angab. Konnte sich eine Gruppe, die sich sprachlich zueinandergehörig fühlte, zahlenmäßig nicht durchsetzen, so schloss sie sich einer stärker vertretenen Nation an. Wollte man auf einer Universität Aufnahme finden , musste man sich zuerst an eine Nation wenden. Erst danach konnte man in die Matrikel eingetragen werden. Jetzt erst erfolgte die Aufnahme in ein Studienhaus.
| DIE BURSEN
Sowohl die einheimischen als auch die vom Lande oder anderen Städten stammenden Studenten traten zu den von den Universitäten geregelten Wohngemeinschaften zusammen. Bis zur Reformation ist für Lehrer und Schüler der Aufenthalt im mittelalterlichen Internat - der Burse - allgemein vorgesehen gewesen. Fast überall bestand Bursenzwang. Hier herrschte anfangs strenge Zucht und das Bestreben nach geschlossenem Auftreten, sowie Zwang zur einheitlichen Kleidung. Die in den Bursen wohnenden hießen "Bursari" oder "Burs" (daher auch der Ausdruck "Bursch"). Strenge Hausvorschriften sorgten für Ordnung. Die Umgangssprache war Latein. In den Bursen wurden die heimischen Lieder gesungen und Bräuche und Sitten gepflegt. Um 1400 gab es in Wien 29 Bursen. Bei hohen Strafen war es verboten, Nichtimmatrikulierten Einlass und Unterkunft zu gewähren.
Trotz der harten Disziplin in den Bursen regte sich viel gesellschaftliches Leben und Humor, der auch vor Rektoren und Stadtoberhäuptern nicht halt machte. Mit dem Aufkommen freierer Sitten und der Lösung vom kirchlichen Einfluss lockerte sich nach und nach die Zucht in den Bursen. Der Freiheitsdrang setzte sich schließlich durch, so daß das Leben in den Bursen erträglich wurde, was andererseits dann auch zu groben Missbräuchen und sittlichen Verfall der Bursen führte. Eine neuere Form der Bursen hat sich im englischen College bis zum heutigen Tage erhalten.
| DIE LANDMANNSCHAFTEN
Da seit der Reformation der Großteil der deutschsprachigen Universitäten die engere Bindung mit der Kirche aufgeben mussten, unterstanden diese den Landesfürsten. Der Bursenzwang wurde aufgehoben. Die alten Nationes, die ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen konnten, lösten sich auf. Althergebrachte Privilegien gingen unter zunehmender Einflussnahme der Landesfürsten verloren. Der Student selbst führte nun allerdings ein freies Leben. In Anlehnung an die früheren Nationes entstehen die Landsmannschaften als von den Universitäten unabhängige Institutionen, die sich jetzt entsprechend den geänderten politischen Verhältnissen nach nationaler Herkunft gliederten. Die Landsmannschaften wurden bald zu den Trägern der späteren Korporationsidee und zu typischen Einrichtungen des studentischen Lebens. Auch bei den Landsmannschaften herrschte jener genossenschaftliche - korporative Zug mit grundsätzlich demokratischen Einrichtungen vor, der einen zunftmäßigen Charakter trug und sorgsam über seine Privilegien und Rechte wachte. Die Landsmannschaft selbst wurden zu einem einflussreichen und bedeutenden Faktor an den Universitäten und machte sich nun alle Studenten ihren Zwecken gefügig. Denn ohne Zugehörigkeit zu einer Landsmannschaft durfte man nicht studieren.
| DIE URBURSCHENSCHAFTEN
Die französische Revolution hatte in allen absolut regierten Ländern Europas die Freiheitsidee mächtig gefördert. Napoleon aber unterjochte als "Vollstrecker der Revolution" fast ganz Europa. Die meisten deutschen Fürsten mussten ihm auf untertänigste Weise dienen. Als er jedoch 1813 in Moskau geschlagen wurde, erwachte der Befreiungswille überall in Österreich und Deutschland. Die erste Welle dieses Patriotismus ging von den Universitäten und Gymnasien aus. Aller Zank und Hader zwischen den Bürgern war vergessen. in Scharen strömten Studenten, Bürger und Landvolk zu den Waffen. In Preußen entstanden Freikorps deren bekanntestes das "Lützowsche Freikorps" war. Es bestand fast ausschließlich aus Studenten. Von einer Welle der Solidarität getragen hoffte die neue studentische Bewegung das sich nach der Befreiung des Vaterlandes auch ein freieres Leben ergeben würde. Der Gedanke lebte in den Studenten weiter und führte am 12. August 1815 zur Gründung der "Allgemeinen Deutschen Burschenschaft". Heute nennt man sie auch die Urburschenschaft da sie sich von den späteren Burschenschaften des 19. Jahrhunderts doch wesentlich unterschied. Rasch breitete sich diese Bewegung auf alle Universitäten aus. Bei dem Gründungsfest auf der Wartburg wurde der Wahlspruch "Gott, Ehre, Freiheit Vaterland!" der Bewegung vorangestellt. Damit wurde das Bekenntnis zum Vaterland und zum Christentum zum Ausdruck gebracht. Die Farben "Schwarz-Rot-Gold" wurden als Burschenfarben auserkoren. Das Duell wurde geächtet, der Streit unter Bundesbrüdern wurde durch Ehrengerichte geschlichtet. Hier finden wir auch zum ersten mal den Grundsatz zur Pflege des Studiums. Ursprünglich wurden keine konkreten politischen Forderungen gestellt, in der Folge kam es aber zu Demonstrationen gegen das System Metternichs.
Wachsam und misstrauisch verfolgten die Behörden in den Ländern der Heiligen Allianz diese dem Absolutismus abträgliche Erscheinung und beschlossen darauf, am Karlsbader Kongress im August 1819, die Urburschenschaften zu verbieten. Deren Angehörige wurden von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Doch der Geist der Urburschenschaft blieb auch nach deren Auflösung lebendig. Aber bald gab es eine neuerliche ausgedehnte Verfolgung der Burschenschaften. Vielen jungen Studenten und Hochschullehrern wurde dies zum Verhängnis. Unter der Führung von ehemaligen Burschenschaftern stiegen die Studenten nun auf die Barrikaden. An führender Stelle traten die Studenten in den Kampf um die Schaffung einer Volksvertretung, Verfassung, Presse und Lernfreiheit. Gemeinsam mit dem Proletariat gelang es ihnen, Metternich aus Wien zu vertreiben. Damit brach ein neues Zeitalter in der Politik an, doch die Urburschenschaft hatte ihre Kräfte verbraucht und ihre besten Mannen geopfert. Mit den erkämpften Freiheiten beginnt für das Korporationsleben die Epoche der weltanschaulichen Interessen und Parolen. Die stolze Ungebundenheit des studentischen Lebens ist dahin. Die Urburschenschaft gerät in den Sog eines sich konservativ gebärdenden Bürgertums. Damit endet die von hohen religiösen, sittlichen und vaterländischen Idealen getragene Urburschenschaft.
| DIE CORPS
Die durch teilweise Verschmelzung mit den freien studentischen Orden geläuterten Landsmannschaften hielten sich vielfach neben der urburschenschaftlichen Bewegung. Unter Assistenz der Freimaurer schwenkten sie um in Richtung der Aufklärung. Sie erwiesen den aufgeklärten Fürsten ihre Reverenz, die sich von nun an auf den Universitäten huldvoll zu zeigen beliebten. Das einst so freie Burschentum, das der Obrigkeit durch Jahrzehnte getrotzt hatte, war nun gewillt, sich der patriachalischen Herrschaft der Monarchen unterzuordnen. Die damals aufkommende Zeremonie des Landesvaters kann man als Symbol dieses Wandels bezeichnen.
Die so gezähmten Landsmannschaften nannten sich nach den Befreiungskriegen Corps. Sie betrachteten sich als Nachfahren der langen Reihe studentischer Gemeinschaften. Das Sturmjahr 1848 leitete überall die Koalitionsfreiheit ein. Die Corps wandten sich dem aufstrebenden Liberalismus zu und erklärten dessen Devise im Laufe der Zeit zu ihrem eigenen Programm. Der Liberalismus hatte keinen nationalen, sondern eher einen übernationalen Charakter. Er war nicht sentimental, sondern rationalistisch und dem Fortschritt verschrieben. Dieser Fortschrittsgedanke sollte frei sein von allem Transzendenten - frei sein von Gott! Damit erhielt der Liberalismus jene antiklerikale Note, die er bis in die heutige Zeit beibehalten hat. In dem Maße, indem der Liberalismus seiner Hochblüte zustrebte, erstarkten die Corps. Schon in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts begannen sie erneut, wie die übrigen Studentenschaften, den Nichtkorporierten ihre Gesellschaftsform aufzuprägen. Sie selbst jedoch betrieben eine Exklusivität und gewährten nur den gehobenen Schichten Zutritt. Die Corps bekannten sich zum uneingeschränkten Duellprinzip. Sie führten die blutige Bestimmungsmensur als Mutprobe und Duellvorschule ein. Die früheren regellosen Raufhändel kodifizierte man im Paukkomment und machte sie damit gesellschaftsfähig. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts näherten sich die Corps, unter Einfluss des Offizierskorps, mehr und mehr der absoluten Anerkennung der monarchischen Staatsautorität (Zeit Bismarcks). Politische Diskussionen werden dann aus den Corpshäusern verbannt. So wird die bedingungslose Verteidigung eines überzüchteten Ehrbegriffes zum letzten Sinn im Corpsleben.
| DIE NEUBURSCHENSCHAFTEN
Der Gedanke der Universität des alten Imperiums wurde nun in Europa durch den stark aufstrebenden Nationalismus abgelöst. Viele Volksgruppen forderten ihre Unabhängigkeit. Dieser Nationalismus rüttelte auch am Vielvölkerstaat Österreich. Das nationalstaatliche Programm übte auf die revolutionär gesinnte Gruppe der Studenten einen starken Reiz aus. Die Nationalen fanden sich in Neuburschenschaften zusammen. Bei diesen stand die geistige Linie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mehr mit den Urburschenschaften. Die Forderung nach Erhaltung und freier Entfaltung der arteigenen völkischen Substanz unter Verzicht auf ältere Bindungen wurde zur Devise der nationalstaatlichen Idee. Somit zeichnet sich der Unterschied zwischen Corps und Neuburschenschaften deutlich ab. Während die Burschenschaften mit der Nationalstaatlichen Devise gegen die konservativen Mächte ankämpften, verbanden sich die Corps stillschweigend mit den noch herrschenden Landesvätern. Das Neuburschentum wurde zur Phalanx der nationalstaatlichen Parole und gab sich radikal im Vergleich zu den "königstreuen Corps". Während die Corps im Wissen um die Förderung von oben ihr Prestige zu betonen wünschten und nur die Söhne einer Oberschicht einließen, gaben sich die Burschenschaften frei von "Prunk" und bemühten sich kämpferische Naturen ohne Ansehen der Herkunft zu gewinnen. In völkischen Fragen gaben sie sich kompromisslos. Diskussionen über Groß- oder Kleindeutschland oder die zukünftige Art der Verfassung gaben daher bald Anlass zur Spaltung. Die burschenschaftliche "Progressbewegung" vertrat das allgemeine Wahlrecht, linkes Gedankengut und lehnte das Duell ab. Dem gegenüber blieben die Corps in Struktur und Zielsetzung geschlossen.
Wir wissen, daß die Machtübernahme durch den Nationalsozialismus das Ende aller freien Institutionen und unabhängigen Gemeinschaften brachte. Nach der Machtübernahme im Deutschen Reich wissen die Einsichtigen in Österreich, daß ein freiwilliger Anschluss einer Kapitulation vor einem totalitären System gleich kommt. Kanzler Dollfuß, ein katholischer Farbenstudent, verweigert sich daher der Anschlussparole und versucht in einem autoritären Alleingang die Gleichschaltung aufzuhalten, fällt aber 1934 einem nationalsozialistischen Putschversuch zum Opfer. Durch den Einmarsch Hitlers 1938 beginnt eine Verfolgung der katholischen Verbindungen, die zahlreiche Opfer forderte. Auch die österreichische Burschenschafterei, die man wegen ihrer "alldeutschen" Haltung zu schonen vorgab, bleibt schließlich auf der Strecke. Nach dem Chaos, in dem das dritte Reich schließlich endete, sind es die christlichen Verbände, die sich als erste wieder zur Arbeit melden. Sie sind nicht belastet und haben vor den Diktatoren nicht kapituliert. Man musste von vorne beginnen.
Das Korporationswesen wird, im Gegensatz zu den politischen Parteien, immer einer weltanschaulich - sittlichen Ordnung zu dienen haben. Die Korporationsidee kann niemals durch ein Klubwesen ersetzt werden. Korporation bedeutet nie "Nehmen", sondern immer "Geben". Niemals darf der Begriff Korporation irgendeinen Kompromiss mit der Staatsallmacht eingehen. Die Korporationsidee ist, wie ihre Geschichte zeigt, stets inmitten der Auseinandersetzungen des europäisch - abendländischen Raumes gestanden und sie darf ihre sittlichen Werte, die zutiefst in der christlichen Humanitas verwurzelt sind, niemals verleugnen. Die Träger und Bekenner der Korporationsidee haben letzten Endes immer um Freiheit vom Zwang und Gewalt gerungen. Solange das Farbstudententum darin sein ihm gemeinsam überkommenes Erbe sieht, wird es Bestand haben, was immer kommt.
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